P.-O. Léchot: Une histoire de la Réforme protestante en Suisse (1520–1565)

Cover
Titel
Une histoire de la Réforme protestante en Suisse (1520–1565).


Autor(en)
Léchot, Pierre-Olivier
Reihe
Focus (17)
Erschienen
Neuchâtel 2017: Éditions Alphil
Anzahl Seiten
138 S.
von
Georg Modestin, Fachschaft Geschichte, Kantonsschule Freudenberg (Zürich)

Pünktlich auf das grosse Reformationsjubiläum im Jahr 2017 hin ist das vorliegende Bändchen des an der Faculté de théologie protestante in Paris lehrenden Schweizer Kirchenhistorikers Pierre-Olivier Léchot erschienen. Darin hat sich der Verfasser einer auf den ersten Blick schier unmöglichen Aufgabe gestellt, nämlich der Darstellung der Schweizer Reformation (wobei zur gegebenen Zeit weder das zugewandte Genf Calvins noch das ebenfalls zugewandte St. Gallen Vadians – um es bei zwei Beispielen bewenden zu lassen – im allerstrengsten Sinn zur Eidgenossenschaft gehörten) auf 138 Seiten in Taschenbuchformat. Der Reihe entsprechend, kommen die Ausführungen mit sehr wenigen Anmerkungen aus, dafür ist jedem Kapitel eine nützliche bibliographische Orientierung beigegeben. Überhaupt hat Léchot beachtliche Arbeit geleistet, und zwar ungeachtet dessen, dass der kleine Band, seiner umfassenden Thematik geschuldet, von Abkürzungen und Vereinfachungen geprägt ist. Im ersten von insgesamt zehn kurzen Kapiteln beschreibt der Verfasser den kirchlichen «Humus», dem die Reformation entwachsen ist. Er ist dabei um Ausgewogenheit bemüht und merklich bestrebt, der spätmittelalterlichen Kirche gerecht zu werden. Ein besonderes Augenmerk gilt dem – Basler – Humanismus, den er als eigentliche «Muttererde» für die Reformation zwinglianischer Prägung sieht: «L’irruption de Zwingli sur la scène religieuse helvétique ne serait pas compréhensible si l’on n’évoquait pas un autre phénomène particulièrement important, l’humanisme, et son foyer de diffusion, la ville de Bâle» (S. 24).

Das Kapitel zwei ist dann ganz Ulrich Zwingli zugedacht. In seiner Darstellung betont der Verfasser den Einfluss des Zürcher Stadtrats auf die Dynamik der Reformation: «Zwingli [...] redéfinit le rapport entre les sphères ecclésiastique et politique et confère à l’autorité politique un statut essentiel du point de vue religieux: le Magistrat est le père nourricier de la religion» (S. 35). In Kapitel drei wird das Ausgreifen der Reformation auf die deutsche Schweiz bis zum Ende der 1520er Jahre beschrieben, wobei jeder Ort – der losen Struktur der alten Eidgenossenschaft entsprechend – seine eigene Reformationsgeschichte kannte. Ein grosses Gewicht kam dabei Bern zu, dem neben Zürich mächtigsten eidgenössischen Ort. Der bernische Einfluss kam insbesondere beim Eindringen der Reformation in die nachmalige Westschweiz zum Tragen, dem Kapitel sechs gewidmet ist: Zumindest teilweise gingen die Verbreitung der neuen Lehre und die territoriale Ausweitung der Berner Herrschaft Hand in Hand vonstatten. Was den Zürcher Schauplatz betrifft, geht es in Kapitel vier um die Täuferkrise, die unter anderem auch in der Kritik der Täufer am (zu) engen Verhältnis zwischen der Religion zwinglianischer Ausprägung und der obrigkeitlichen Politik wurzelte. Weitere Krisenmomente waren der Bruch Zwinglis mit Luther sowie – weniger in Bezug auf das reformierte Spektrum als auf die Situation zwischen den Konfessionen – die beiden Kappelerkriege, die mit dem Schlachtentod Zwinglis (1531) und dem Zweiten Kappeler Landfrieden endeten, durch den die Ausbreitung der Reformation in die Ostschweiz zurückgebunden wurde (Kapitel fünf).

Die zweite bestimmende Gestalt der eidgenössischen Reformationsgeschichte war zweifellos Jean Calvin. Das ihm zugedachte Kapitel sieben trägt nicht umsonst den Titel «Jean Calvin le bâtisseur»: Der Verfasser charakterisiert den gebürtigen Franzosen aus Noyon in der Picardie als «homme de synthèse, de précision doctrinale mais aussi de construction institutionnelle» (S. 79). Selbst wenn die entsprechenden Ausführungen, dem Umfang des Bändchens entsprechend, knapp sind, sind sie doch so umfangreich, dass wir hier nur ein Element aufgreifen, nämlich Calvins Verhältnis zur politischen Herrschaft, das nicht ganz so eng war wie dasjenige Zwinglis. Das Kapitel acht spricht von der «schwierigen Vereinigung» («difficile unification») des schweizerischen Protestantismus bis zu der auf Zwinglis Nachfolger Heinrich Bullinger zurückgehenden Confessio Helvetica posterior (1566), «un modèle de clarté, de simplicité et de finesse dogmatique» (S. 103), auf die sich die reformierten Kirchen in der Eidgenossenschaft einigen konnten.

Die beiden letzten Kapitel entfernen sich von der bis dahin vorherrschenden ereignisgeschichtlich chronologischen Darstellungsweise: Kapitel neun spricht verschiedene Themen aus dem weitläufigen Gebiet der «culture religieuse du protestantisme suisse» an, so den Stellenwert der Bibel, die religiöse Bildung, die Figur des Pastors, die Gottesdienste, den Psalmengesang oder das Thema «Familie und Sozialkontrolle». Kapitel zehn thematisiert schliesslich die konfessionelle Koexistenz in der Eidgenossenschaft, die im Ausland – insbesondere in Frankreich zur Zeit der Religionskriege – auf nachvollziehbares Interesse stiess.

Damit beschliesst der Verfasser seine kluge Synthese, die auf einer beschränkten Anzahl Seiten ein komplexes historisches Phänomen knapp, aber dennoch differenziert darzustellen vermag.

Zitierweise:
Modestin, Georg: Rezension zu: Léchot, Pierre-Olivier: Une histoire de la Réforme protestante en Suisse (1520–1565), Neuchâtel, 2017, zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Geschichte 70 (1), 2020, S. 131-132. Online: <https://doi.org/10.24894/2296-6013.00054>.

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